
Da man ja in Bewerbungen immer seine Teamfähigkeit hervorheben soll und ich gerade nicht so wirklich gute Erfahrungen mit Projektarbeit mache, fand ich diesen Artikel ggfs. diskussionswürdig:
http://www.zeit.de/arbeit/2017-11/teamarbeit-gruppendynamik-unternehmen-mitarbeiter-psychotest
Was meint ihr dazu? Lieber Einzelkämpfer oder lieber Teamplayer?

„Goslar“ (Pseudonym)
Eine Dimension, die diese Tests nicht beleuchten, ist die Machtdimension: Wer im Team arbeitet, muß Macht abgeben oder versucht, wenn er der entsprechende Typ ist, Macht über andere zu gewinnen. Da muß man sehr aufpassen, sonst verändert sich der "Teamzweck" ganz schnell weg vom ursprünglichen Sinn des Teams, hin dazu, den Machterhalt des einzelnen zu sichern. Aber man muß auch mit Ängsten der Teilnehmer umgehen lernen, die aus dem Abgeben von Verantwortung resultieren. Sonst agieren diese "verängstigten" Teilnehmer ganz schnell als Saboteure.
Neudeutsch sagt man ja immer "What's in for me" ..... Was für jeden einzelnen bei der Teamarbeit "drin ist", sollte klar kommuniziert werden, dann funktioniert das besser.
Ich kenne es nur aus der Projektarbeit und da lies es sich wissenschaftlich fundiert nachweisen, dass mehr Projekte an "zwischenmenschlichen" Faktoren scheitern als inhaltlichen.

@Hanna, ich denke, es ist auch eine Sache der Leitungsebene und der Bestimmung, wer was im Projekt zu tun hat. Ich kämpfe seit einem Jahr damit, ein für uns alle neues Projekt auf die "richtigen" organisatorischen Füße zu stellen - dazu kommt Fluktuation bei den Mitarbeitern (ich bin die Einzige, die noch vom ursprünglichen Team dabei ist) UND einen Leitungswechsel... niemand hält etwas davon, erstmal ein tragfähiges Konzept zu erarbeiten, jeder will zuallererst Ergebnisse. Das bedeutet für mich, das Pferd von hinten aufzuzäumen. *heul*
Alle behaupten, das wäre bei jedem Projekt so. Steh ich denn alleine da mit meinem Ansinnen einer notwendigen Basis für erfolgreiche Arbeit?

„Goslar“ (Pseudonym)
Hmm... was hilft ist "Kommunizieren as hell" d.h. wirklich jeden Kleinscheiß kommunizieren als Erfolgsmeldung und das in Pakete verpacken, die selbst Grundschüler (wahlweise uninteressierte, nur am Rande beteiligte "Stakeholder" des Projektes) verstehen können. Gerne abgerundet mit einer griffigen Headline und ein paar guten Grafiken. Man kommt sich dabei zwar blöd vor dabei, aber die meisten haben eh keine Ahnung, was das Team genau tut, noch wirklich Lust, sich damit zu beschäftigen und so gibt man allen ein gutes Gefühl á la "läuft schon".
Wichtig ist auch, dass du die Leitungsebene abholst und sie dazu bringst, das Projekt entsprechend zu unterstützen. Schau, dass du regelmäßig ein Mindestmaß an Aufmerksamkeit für das Projekt bekommst z.B. über einen Statusbericht und ein Forum hast, Schwierigkeiten z.B. bei der Ressourcenlage anzusprechen. Biete, wenn du ein Problem vorträgst, bring immer gleich eine (für dich gute) Lösung mit ein ("a la Frau Maier für 2 Tage..."), der die Leitungsebene sofort zustimmen kann.
Projektarbeit ist nicht nur "Die Gesamtaufgabe erledigen", es umfasst viel mehr z.B. Stakeholdermanagement, Teambuilding etc.. - und das meist alles "nebenbei" weil man eigentlich dafür gar keine Zeit hat. :)
Wenn dein Team so häufig wechselt, packe am besten wirklich ganz, ganz kleine Arbeitspakete.
Ein Projekt, das nach einem Jahr noch an seinen Strukturen feilt, ist viel zu langsam unterwegs. Die meisten Projekte "erledigen" sich nach spätestens 18 Monaten - entweder weil sie überholt sind, nicht mehr interessant sind, oder weil sie zu teuer und aufwändig geworden sind. Fortschritt ist da wirklich wichtiger als die "perfekte" Struktur. Rechne mit Veränderungen.

„Neunkirchen-Seelscheid“ (Pseudonym)
ja das sind die Probleme der sogenannten Bullshit Jobs. Keiner weiß eigentlich was er tut, aber wird nicht schlecht dafür bezahlt. Gott schütze das ehrliche Handwerk!!!

„Wiesloch“ (Pseudonym)
Ich finde dieses von den Unternehmen erzwungene Teamplayergedöns fürchterlich. Es läßt überhaupt keinen Raum mehr für Individualität. Mich würde interessieren wie hoch die Quote von Bewerbern liegt, deren gesamte Bewerbung gefakte ist, nur um an einen dieser Jobs zu kommen. Oder wieviele von den Angestellten bei den Psychotests lügen um ihren Arbeitsplatz behalten zu können. Letztendlich geht jeder von uns Arbeiten um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Ist doch klar, dass so viele unterschiedliche Charakteren Reibungspunkte haben, und auch die Arbeit darunter leidet. Man kann Menschen nicht auf Dauer in ein Arbeitsmodell quetschen was gegen ihr Wesen ist. Da hilft auch keine Einteilung nach Farben.

„Goslar“ (Pseudonym)
@daohne Wobei ich mir jetzt eigentlich so eine "Baustelle" z.B. schon eigentlich als etwas vorstelle, wo viel Teamarbeit gefragt ist, oder?
Die meisten wissen schon was sie tun, aber eine große Gruppe von Leuten dazu zu bringen, an einem Strang zu ziehen (mit voller Kraft ;), ist echt eine Kunst.

„Neunkirchen-Seelscheid“ (Pseudonym)
@Hanna...aber ohne das ganze sinnlose Gequatsche

„Goslar“ (Pseudonym)
Hmm...der Ausführende, der z.B. die Leitungen verlegt, muß auch nicht kommunizieren. Aber der Verantwortliche für die Elektrotechnik sollte es tun, damit z.B. nicht schon der Fliesenleger anfängt, bevor alles in der Wand ist, was in die Wand gehört....
...und ne Bauleitung/Bauaufsicht ist ne Projektleitung.

„Neunkirchen-Seelscheid“ (Pseudonym)
die ein Bauleiter hat, max. noch Fachsbereichsauleiter, also eher weniger Gequatsche

„Weißenfels“ (Pseudonym)
Meine Güte, und trotzdem muss man sich auf einer Baustelle absprechen. Dazu muss kommuniziert werden. Wenn du reden für sinnloses Gequatsche hältst, dann eben mit Händen und Füßen oder Grunzlauten. Nicht alles, was du nicht verstehst, ist "Gequatsche", sondern kann durchaus notwendig sein.

„Neunkirchen-Seelscheid“ (Pseudonym)
@Minty.....kommunizieren ist ja ok.....aber bei den meisten Projekten kommt im Endeffekt nichts anderes dabei raus. Und tröste dich ,ich verstehe genug davon.

„Goslar“ (Pseudonym)
Das stimmt. Aber es gibt bestimmt auch bei euch Leute, die "gerne quatschen" oder organisieren, oder etc.. Menschen sind da einfach sehr unterschiedlich.
Bei den meisten Projekten geht es darum etwas "ganz anders zu machen als bisher". Also man merkt z.B. das auf einer Station im Krankenhaus Pflegenotstand herrscht. Das Management setzt die Vorgabe "Wir können nicht mehr Leute einsetzen" und dann wird eine Arbeitsgruppe oder ein Projekt gebildet im Sinne von "Was können wir mit dem vorhandenen Personal besser machen".
Da gibts dann grob zwei Möglichkeiten: Entweder du jammerst darüber, dass es unfair ist, das man nicht mehr Leute bekommt und machst trotzdem bei der Arbeitsgruppe mit, mit der Chance Dinge zu gestalten, besser zu machen und deine Ideen berücksichtigt zu wissen.
Oder du jammerst darüber, dass es unfair ist, dass man nicht mehr Leute bekommt und machst NICHT bei der Arbeitsgruppe mit, mit der Chance, dass die etwas beschließt, was du für absolut nicht sinnvoll hälst und gar nichts dagegen tun kannst. Weil: Es gab ja die Arbeitgruppe, du hättest dich beteiligen können. Wenn dus nicht getan hast, heißt es "Friss oder stirb".
Aber Projekte sind auch sehr unterschiedlich: Mal brauchst du mehr Querdenker und Innovatoren, mal brauchtst du mehr das "erfahrene" Fachpersonal, mal eine frische Sicht von außen, mal jemanden, der das Geld im Auge hat, etc.. Wichtig ist, das man Leute hat (und auch ggf. auswählt), die Lust haben das Ziel des ganzen zu erreichen. Wenn jemand nicht motiviert ist, ist er nicht motiviert. Dann kannst du eh nichts mit ihm anfangen. Dann lieber das Team klein und schlagkräftig halten.

„Wiesloch“ (Pseudonym)
Man muß nicht immer alles in Gruppen durchquatschen. Vieles würde besser laufen wenn in der Führungsebene Menschen sitzen würden die wissen was sie tun. Ist aber oft nicht so. Und je größer das Unternehmen, desto schlimmer wird es.

„Rosenheim“ (Pseudonym)
@Hanna was Du beschreibst ist genau das, was Leute aufregt, die sich über Gequatsche aufregen. So ging es mir als ich in der Pflege gearbeitet habe. Ein kleiner Haufen überarbeiteter Frauen, oftmals auch noch alleinerziehend, haben sich abgehetzt und bis zur psychischen und physischen Erschöpfung geschuftet und dann saßen da ein Haufen anderer Menschen "über" uns in ihren Büros und haben darüber beratschlagt, Gruppenausschüße gebildet, Supervisionen und Vorträge gehalten, wie WIR NOCH SCHNELLER arbeiten können.

„Rosenheim“ (Pseudonym)
Nachtrag: irgendwann ist ausoptimiert, irgendwann kann man ein Hotelzimmer eben nicht noch schneller reinigen, egal wie viel sich andere etwas dazu überlegen. Irgendwann kann man einen pflegebedürftigen Menschen nicht noch schneller waschen und anziehen, egal wie viele Teamarbeiten darüber abgehalten werden, von Menschen, die das selbst nie umsetzen müssen und werden.

„Zweibrücken“ (Pseudonym)
"Personalführung ist die Kunst, den Mitarbeiter so schnell über den Tisch zu ziehen, daß er die Reibungshitze als Nestwärme empfindet."
(Zitat von Unbekannt)
Daran muss ich denken wenn ich den - völlig berechtigten!!- Einwand von *HatkeinenNamen* lese...
Die Illusion an wichtigen Entscheidungen beteiligt zu sein (dank "Team"arbeit) bindet den eigentlich nötigen Widerstand gegen unmenschliche Prozesse (sowohl in Wirtschaft wie auch Sozialwesen...) und vermittelt ein wohliges Gefühl der Wirksamkeit, die oft genug nur noch Fassade ist...

„Goslar“ (Pseudonym)
I.d.R. wird dann das Ganze versucht mit Fremdpersonal zu lösen, das "noch billiger" angeboten wird, so lange bis mal was schief geht und man merkt, das der Dienstleister eigentlich gar kein Interesse daran hat, die geforderte Qualität zu liefern. (Hier wehe dem, der dann keinen guten Vertrag mit dem Dienstleister abgeschlossen hat.)
...und dann wird wieder Personal aufgebaut. ;) Ich kenn das auch.
Dafür brauchts schlaue Leute in der Administration, die Wissen was und wo Optimierung Sinn macht und wann nicht und die ggf. auch mal ein breites Rückgrad haben ein "Nein" zu vertreten. Das"Nein" muß man aber gut begründen können. Aber alles zu hinterfragen und sich Prozesse anzusehen und dem operativen Personal zuzuhören macht - meiner Meinung nach - schon extrem viel Sinn. Sonst hast du im Operativen auch immer die Fraktion "Das haben wir schon immer so gemacht, warum sollten wir was ändern". Durch eine bessere, flexiblere Personalplanung, entsprechende Arbeitszeitmodelle etc. (z.B. um Engpässe durch Krankheiten auszugleichen) kann man super viel erreichen. Es braucht auch Anreizsysteme, die Mitarbeiter langfristig motivieren gute Arbeit zu machen, es darf nicht "egal" sein, wie man sie macht. Ne gute Administration ist halt eigentlich so das Ingenieursbüro eines großen Ladens: Sie muß einen guten Plan entwickeln, wie all die Zahnrädchen am besten ineinander greifen. Wenn das nicht klappt, darf man da auch aus dem Operativen heraus durchaus ne bessere Planung einfordern. Manchmal helfen ja ganz kleine Dinge z.B. ein Tool, mit dem man flexibel Dienste tauschen kann oder jemand, der die Aufgabe bekommt gewisse "nervige" Dinge, die mit Laufarbeit verbunden sind (Holen/Besorgen von Büromaterial) für alle Bereiche gemeinsam zu erledigen, oder eine zentrale Hotline für Schieß-Mich-Tot (weil man sonst nie weiß, wer erreichbar ist), eine bessere IT-Lösung, oder einen gemeinsamen Standard für Weißte-Was, damit nicht jeder das Rad neu erfinden muß, oder eine ganz klare Rollenbeschreibung, wenn sich A und B nicht einig sind, wer zuständig ist, oder das Einbringen von neuen Methoden (Bei XYZ wird das so gemacht, lohnt das keinen Versuch?). Ne gute Administration macht schon ne ganze Menge mehr. Und man kann - wenn man den Eindruck hat - dass das der Praxisbezug fehlt, auch durchaus mal vorschlagen, dass diejenigen mal 2-3 Tage im Dienst "mitlaufen"/hospitieren) sollen, um sich einen Eindruck zu verschaffen... Im Grunde ist man da ja auch im gleichen "Team" - nur mit anderen Aufgaben und wenn man sich nicht versteht, muß man Verständnis herstellen.

„Goslar“ (Pseudonym)
und vermittelt ein wohliges Gefühl der Wirksamkeit, die oft genug nur noch Fassade ist...
Jein. Wenn es einen guten Grund gibt, warum der Laden anders effizienter und besser läuft, wird dazu kaum jemand "Nein" sagen.
... und ja, es gibt auch Arschloch-Konstellationen in denen das anders läuft. Nur man sollte die eigene "Wirksamkeit" auch nicht unterschätzen. Ganz wenig ist wirklich in Stein gemeißelt, wenn man den richtigen Hebel (bei der richtigen Person) findet.

„Rosenheim“ (Pseudonym)
Ja, @Mattilda das sehe ich genau wie Du. Wenn man noch nicht so häufig und so ausgiebig in prekären Arbeitsverhältnissen, die leider alles andere als eine Ausnahme sind, gearbeitet hat wie ich, dann mag man auch noch daran glauben, dass Vorschläge, wie einfach mal 2-3 Tage mitlaufen, angenommen werden. Die Realität in den Mistjobs ist doch eine ganz andere. Dann arbeitet die Putzfrau eben Vollzeit, statt der bezahlten 80-Std., dann schaffen es die Pflegekräfte eben irgendwie, teils auf Kosten der Freizeit, teils auf Kosten der Patienten. Den Optimierern ist das egal. Solange es IRGENDWIE läuft. Und es läuft immer irgendwie, denn diese Menschen haben zum Beispiel solche Dinge wie Bossing, unter Druck setzen u.ä. sehr gut optimiert. Dazu werden sich dann schon schwache Glieder der Gesellschaft besorgt. Alleinerziehende, Unqualifizierte oder schlecht Qualifizierte, Menschen, die noch zusätzlich (oder sonst wieder) auf das Jobcenter/Arbeitsamt angewiesen sind und sich deshalb wohlverhalten müssen, 1-Euro-Jobber, Werksarbeitsvertragler, "Selbstständige" ... Usw.

„Goslar“ (Pseudonym)
@hatkeinenNamen :/ *betroffen*

„Wiesloch“ (Pseudonym)
Was macht dich jetzt betroffen Hanna? Die Realität?

„Rosenheim“ (Pseudonym)
Mich erinnert das an einen Ingenieur, dem ich beim Umzug helfen sollte/musste/es eben machte.
Da stand ich und packte Kisten und räumte und er saß am PC und plante irgendwas rum. Was er wann wie besten packt. Wohin in welches Zimmer er was stellt. Welches Regal wo abgebaut wird. Und plante und plante. Und ich packte und packte. Er erklärte mir nebenher wie er meint, dass er das ganze Ding so lösen könne, dass sich der Umzug praktisch von selbst erledigte. Dann lief er mit seinen Ausdrucken umher, beklebte irgendwas, vor allem aber beobachtete er mich beim arbeiten.
Irgendwann sagte ich zu ihm: "Es hilft jetzt alles nichts, du musst jetzt anfangen!"
Und auch wenn dieser Mann extrem intelligent ist, als er mir dann irgendwann "half", musste er nicht nur einsehen, dass all seine Excel-Tabellen keine einzige Kiste gepackt haben, nichts aussortiert haben, nichts ab- und nichts aufgebaut, nichts runtergetragen, nichts ein- und ausgeladen und nichts hochgetragen haben, er musste auch erkennen, dass die Realität bei der Umsetzung plötzlich ganz anders aussah und all seine Planungen nur Prokrastination waren.

„Goslar“ (Pseudonym)
@pünktchen Ich habe mich nur in die Schilderungen von *hatkeinenNamen* hinein versetzt und versucht mich einzufühlen, wie es sein muß, wenn das die persönliche Realität ist. So sollte es nicht laufen und ich glaube, es ist einfach ein Zeichen für eine schlechte Unternehmenskultur die die Leitungsebene duldet oder iniziiert, wenn das der Fall ist. Es ist nicht überall Realität.

„Zweibrücken“ (Pseudonym)
Dieses amerikanisierte "Team"gefasel macht mich auch oft wütend.
Danke für Deine Haltung *HatkeinenNamen*. Stimme da überein.
Ich habe da auch grauenvolle Theatervorstellungen erlebt, die schlichtweg nur den Sinn hatten, die Mitarbeiter einzulullen und von den relevanten Fragen (und daraus resultierenden Konsequenzen) abzuhalten.
Was nicht bedeutet, dass ich Teamarbeit ablehne!
Was ich ablehne sind Gruppenmeditationen zum Thema "Wie können wir noch mehr aus Dir rausquetschen" :-((