Ein Hoffnungszeichen für Akzeptanz...
Forum für Dicke, Mollige und Übergewichtige

Rundum Leben

Habe den Artikel (noch) nicht gelesen, aber zu dem Thema habe ich vor vielen, vielen Jahren ein Buch, ein Jugendroman, gefunden und gelesen:

Bitterschokolade von Miriam Pressler (erschienen 1980)

Zusammenfassung:
Die 15jährige Eva ist dick und fühlt sich deshalb einsam und von allen ungeliebt. Ihren Kummer darüber frisst sie in sich hinein. Was der Michel nur an ihr finden mag? Eva ist zum ersten Mal richtig verliebt und erlebt mit Michel ein paar schöne Wochen. Und ganz allmählich begreift sie, dass es nicht der Speck ist, der sie von den anderen trennt, und sie beginnt, sich selbst zu akzeptieren.
Muss auch bestätigen, dass es mehr vom Sozialfeld (bewusst nicht die Worte "soziales Umfeld" gewählt") der einzelnen Individuen abhängt, ob und wie stark sie wegen der reinen Äußerlichkeit bereits gehänselt (ich möchte hier lieber gemobbt verwenden, aber das Bild ist wohl doch noch nicht ganz bei allen Menschen angekommen) und ausgegrenzt werden.
Ich wurde selbst während der Schulzeit massiv gemobbt und ich war auch eher zu dünn denn zu dick, doch das war gewiss kein Auslöser dafür, nein, man kannte mich durch Geschichten und Ausgrenzungsversuche der Eltern untereinander bereits vom Hörensagen und so kam es bereits am Tag nach meiner Einschulung zu so etwas wie einem Überfall auf meinem Nach-Hause-Weg (Helikopter-Eltern mag es damals schon gegeben haben, sie waren aber seltener).
Ich habe bis heute nicht herausgefunden, warum die Kinder selbst so handelten, erfuhr aber Jahre später, dass vier Kinder in einer Familie hier bald als Asozial angesehen wurden und zudem mein Erzeuger eine sehr unschöne Werbung speziell für Teile seiner Kinder gemacht hat, weshalb andere Eltern ihren Kindern überhaupt verboten, mit uns zu sprechen oder spielen.
Zu allem Überfluss habe ich recht früh damit angefangen, Dinge zu hinterfragen und sie nicht einfach als gesetzt zu akzeptieren, wenn sie mir "unlogisch" erschienen, dadurch entfremdete ich mich auch selbst von den anderen, doch diese Fragen wären unter anderen Begleitumständen vielleicht nicht oder nicht so früh aufgekommen.
In jedem Fall möchte ich hier gerade auch Eltern raten, darauf zu achten, dem Kind auch eigene Entscheidungen zuzutrauen, schafft man in dieser frühen Phase ein "Feindbild", kann es eben leicht zu solchen Mobbing-Aktivitäten führen, gerade, wenn man dann einen Teil der Eltern der Freunde des Kindes gleich mit einbezieht.
Das Kind selbst wird so nur mehr zum ausführenden Organ, doch mit der Zeit schleift sich ein solches Verhalten ein und zeigt sich dann auch in eigenen Entscheidungen und Handlungen.
Und zum Thema "Dicke Kinder" - die ersten, die sich damit auseinandersetzen sollten, sind auch jene Eltern, die dem Kind dann das Gefühl vermitteln, es sei weniger wert oder es solle um jeden Preis abnehmen. Sie selbst haben es auch durch andere Maßnahmen in der Hand, das Kind zu unterstützen, beklagt das Kind sich sogar selbst, so kann man verständnisvoll darauf eingehen.
Die Gegenreaktion zu "Du bist zu schwer" führt unweigerlich zu innerer Bedrängnis und der Belastung, nicht recht geraten zu sein, dadurch setzt man sich bei eigenen Handlungen aber mehr unter Druck, dieser ist nicht förderlich, da er nicht aus Motivation heraus geschaffen wird.

Ach ja, ich bekenne mich offen schuldig, den Artikel nicht gelesen zu haben, weil ich in meiner ganzen Umgebung nur ein einziges Kind mitbekommen habe, das wegen seines Gewichts gehänselt (mehr geneckt, denn sie war trotzdem Teil ihrer Clique) wurde, es mag sein, dass das heute anders ist, zumindest in den 80er und 90er Jahren war es in meinem Umfeld jedenfalls nicht (Haupt-)Teil des Themas.
Wer jetzt meint, als Schüler oder Kind könne man doch gar nicht so viel mitbekommen sei an dieser Stelle gewarnt, Kinder diesbezüglich nicht zu unterschätzen, gerade auch jene, die man als Außenseiter bezeichnet, beobachten viel, weil sie nun einmal nicht teilhaben können (machmal auch einfach nicht wollen). Und so sie Anschluss suchen, werden sie sich dazu auch bereitwillig ein wenig weiter vom sicheren Nest entfernen als andere (Ja, es gibt auch die wirklichen Resultats-Stubenhocker, doch die sind weit seltener, als man glauben mag).
@Stückerl, danke für den Hinweis. Ja mei, mein Horizont ist auch begrenzt - es ist schwierig, diese einzementierten Glaubenssätze auszuhebeln. *seufz*
Ich wünschte, alle Eltern würden ihre Kinder so annehmen und lieben, wie sie sind, dann gäbe es diese Probleme nicht. Dann müsste niemand versuchen, jemand anderes kleiner zu machen als sich selbst, um den eigenen Minderwertigkeitskomplex zu vertuschen...diese Unsicherheit, das fehlende Urvertrauen.
@ PeppermintPetty: ich kenne sehr wohl einen Fall, das Mädchen ist die Tochter einer Freundin, die in der 4. Klasse Volksschule (Privatschule) in der Klasse gehänselt und gemobbt wurde, weil sie zu dünn war.
So musste das Mädchen auf Anraten der Schulpsychologin unter dem Jahr aus der Schule/Klasse genommen werden, weil auch in der Schule sich keine der Lehrpersonen oder die Direktion dafür zuständig fühlten bzw. weitere Handlungen in der Klasse unterbunden haben. Das Mädchen war nicht anorektisch und fand zum Glück in einer anderen Schule das passende Umfeld und gedeiht seitdem prächtig.
Bevor ich das mitbekommen habe, hielt ich es auch für unmöglich...
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
08.07.2018
Tracy Turnblad 4ever!
Auch von mir einen Dank für den Artikel @ Peppermint Patty
Es gibt jede Menge Berufsgruppen, die ihn lesen sollten.

Ich war selbst nicht dick als Kind und kann mir gar nicht vorstellen, wie das auszuhalten war für diejenigen, die diese Form der Abwertung um die Ohren bekamen. Meinen Respekt an alle, die das überstanden haben und an die vielen Kinder und Jugendlichen, die es gerade aushalten müssen. Toll, dass es für sie jetzt ein Angebot zur Stärkung des Selbstwertgefühls gibt. Flächendeckend wäre schön :-)

Und - wie ich schon immer sage: mehr Vorbilder und Identifikationsfiguren in den Medien, die ein ganz normales Leben führen. Nicht immer nur als die "lustigen Dicken" vorkommen oder als die Dicken, die dann doch mal per großem Zufall Glück im Leben haben.
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
08.07.2018
Patty, es wäre schön, wenn es so wäre. Vielleicht ist das bei Mädchen nochmal eine andere Hausnummer, aber bei Jungs geht da schon noch was. Leider. Besonders wenn sie klein und dünn sind.
@Engelchen, es geht auch um die heutigen Kinder. Und da kenne ich kein Kind und keinen Jugendlichen mehr, der als "zu dünn" gehänselt wird. Im Gegenteil, die Mädchen eifern den Models nach - je dünner, je besser. Vielleicht sagt mal ein Arzt was, wenn die Mutter mit einem schon anorektischen Teenie daher kommt - und dann kriegt übrigens auch wieder die Mutter die Schelte, nicht unsere dämliche Gesellschaft mit ihren beknackten, oft (20 %) tödlichen Idealen. Wirklich, Anorexie endet in einem Fünftel der Fälle tödlich. 😕
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
08.07.2018
Danke für deine Bestätigung, dass es nicht nur dicke Kinder trifft.
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
08.07.2018
@Energieengel: Doch, das kann ich. So wie jeder mit hoffentlich ein bisschen Empathie. Ich habe Menschen im weiteren Umfeld, die wahnsinnig viel Essen müssen, nur um das Gewicht zu halten. Am Anfang fand ich die Vorstellung großartig, aber ich habe verstanden, dass das auf Dauer auch anstrengend und schwierig ist.
Es geht doch hier auch nicht um einen Wettbewerb darum, welche Ermahnungen/Hänseleien/Ausgrenzungen verabscheuungswürdiger sind. Sie sind grundsätzlich Schiete.
Hier passiert es manchmal auch, dass man sich erhebt, weil man ja 'weniger dick' ist als andere. Aber ich schweife ab.
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
08.07.2018
@Energieengel

Auch wenns jetzt doch sehr OffTopic wird:
Ich wurde in den 60er Jahren (mit 5J) in ein Kinderheim geschickt um meinen Willen zu "brechen"
Ich ass nur was mir schmeckte und gut tat und war für die vorherrschende damalige Vorstellung zu "dünn". Über das unfassbar brutale Regime der Kinder"genesungs"heime macht sich heute keiner mehr eine Vorstellung.
Danach habe ich "brav" gegessen.😟

Ich kann mir kaum vorstellen, dass im Zuge moderner Pädagogik und Kinderrechten einem wählerischen Kind heute noch so etwas angetan werden dürfte.
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
08.07.2018
Meine ganz persönliche Erfahrung als sehr dünnes Kind ist genau eine andere. Dicken Kindern gesteht man zu, dass es schwierig ist abzunehmen. Bei dünnen Kindern ist das anders. Essen ist doch ganz einfach. Und es wird einem jeden Tag und wirklich auch jeden Tag mit einem Vorwurf aufs Butterbrot geschmiert. Kann sich ein Dicker eben nur nicht vorstellen.
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
08.07.2018
..Da trifft es dünne Kinder genauso wie solche die eine Brille tragen, oder vielleicht nicht die richtige Marke tragen. Und es tut jedem Kind weh. Nicht nur dem dicken Kind...

Das sehe ich anders, Energiengel.
Kinder mit Brille oder "falscher" Markenkleidung, erleben nicht gleichzeitig ÜBERALL (Arzt, Verwandte,Lehrer, Erzieher, Zeitung, TV.....) eine Herabsetzung.
Und die hänselnden Kinder haben nicht solch eine breite Front an stiller aber auch lauter Zustimmung von Erwachsenenseite hinter sich.
Einem Kind mit Brille sagt sicher keiner: "dann trag sie eben nicht, wenn Du nicht geärgert werden willst.."

Was für mich sehr wohltuend an diesem Artikel ist, liebe PeppermintPatty, ist, dass der Fokus erneut darauf gelegt wird, dass die allseits beschworenen Selbstwirksamkeitskräfte (Ernährungsumstellung, Bewegung, Sport) wenn überhaupt nur einen geringen Einfluss auf das langfristige Gewicht haben.
Und das Verständnis für psychosoziale und genetische Faktoren sich sehr zäh (aber endlich!) immermehr auch bei Medizinern verbreitet.
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
08.07.2018
So einfach ist eben auch nicht @Energieengel. Es gibt Menschen, denen einfach Mut und Kraft fehlt, sich beispielsweise am Strand im Badeanzug zu zeigen. Da bedarf es mehr, als jemanden dazu aufzufordern, sich zusammenzureißen und doch aus der Blase herauszutreten. Auch dafür muss man Verständnis haben. Jeder Dicke hat seine eigene Geschichte. Natürlich verstehe ich Deinen Ansatz. Wäre es gut, um auch bei seinen Kindern für einen positiven Umgang mit dem eignen Körper zu werben? Ja!
Neulich sah ich ein Foto von Angelina Kirsch. Die Frau ist hübsch und bei 1,76m und Kleidergröße 42 weit weg davon, dick zu sein. Das Foto zeigte sie im Bikini. Flacher Bauch, tolle Kurven und es gab ernsthaft Menschen, die fanden, sie hätte viel Mut, sich so zu zeigen und die wünschten, sie selbst hätten ebenfalls diesen Mut. Da läuft etwas schief. Nicht jeder von uns ist gedacht, als Reh durchs Leben zu laufen. Ich bin bei Dir, dass der Ausgangspunkt ein gesellschaftlicher Wandel sein muss, in dem Vielfalt als Bereicherung verstanden wird- egal in welcher Form sie daher kommt.
In meinem privaten Umfeld habe ich unterschiedlichen Umgang mit dem Thema gesehen. Manches finde ich toll, einiges furchtbar, weil es mich triggert.
Wenn es Kindern hilft, in einer Blase Selbstbewusstsein und ein gutes Körpergefühl zu entwickeln, Feuer frei. Das ist der erste Schritt.
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
08.07.2018
Danke, Peppermint Patty für den Artikel.

Ich bin hin und her gerissen von dem Artikel. Auf der einen Seite finde ich es wichtig, dass überhaupt etwas getan wird um Kindern zu helfen. Was ich nicht mag, ist dicke Kinder in einer besonderen Opferrolle zu sehen.

Auf der Ebene Kind-Kind... Warum werden diese Kinder geärgert? Nicht weil sie dick sind. Sie werden geärgert, weil das hänselnde Kind ein Ventil braucht. Da trifft es dünne Kinder genauso wie solche die eine Brille tragen, oder vielleicht nicht die richtige Marke tragen. Und es tut jedem Kind weh. Nicht nur dem dicken Kind.

Auf Gesellschaftlicher Ebene... Ich finde es immer schwierig, sich mit seinem "Problem" in eine Blase zu begeben. Darin kann man nun einmal nicht wohnen und leben. Die Realität des Lebens ist eine andere. Die Gesellschaft muss sich ändern. Und das sind "Wir". Solange aber Erwachsene zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind und das ist in Deutschland in erschreckender Weise der Fall, wird sich auch an der Situation unserer Kinder nichts ändern.

Da werden Kinder vor der PS und Wii geparkt und der Bewegungsmangel tut sein Übriges. Sich zu verstecken und mit dem Kind nicht ins Freibad zu gehen ist für mich persönlich niemals eine Alternative gewesen.

Raus aus der Blase und Spass haben. Das war immer unsere beste Medizin.
@ PeppermintPatty: ich bedanke mich erstmal sehr für den Artikel...

Mir geht es wohl genauso wie dir! Es berührt mich sehr und vieles was da steht, hat auf mich als Kind zugetroffen und tut es jetzt wohl auch noch.
Und es tut mir irgendwie weh, dass sich in den über 45 Jahren offenbar n i c h t s geändert hat... es scheint für übergewichtige Kinder immer noch ein Kampf zu sein, wahrscheinlich noch ein grösserer als zu "meiner Zeit", aber mit welcher Aussicht auf Erfolg???

Dank dir jedenfalls für den Input und noch einen schönen Sonntag! <3