Bildungsaufstieg
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Rundum Leben

Erstellt von einem Mann oder einer Frau
13.12.2018
Ich war der erste mit Abitur und als Student, mein Neffe der erste mit abgeschlossenem Studium.

In meiner Familie existiert das Problem nicht, man ist Stolz auf Leistungen der Verwandschaft.
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
13.12.2018
@Eliza Day

"Das er jetzt irgendwelche Migrationsthemen aufgreifen möchte, habe ich jetzt nicht aus dem Artikel herausgelesen."

Zitat aus dem Interview:
"Dass Menschen am unteren Rand, die Arbeitslosen und Mindestlohnempfänger, gegen Flüchtlinge, Migranten, sexuelle Minderheiten ausgespielt werden. Wenn man diesen Menschen klarmachen würde, dass nicht andere Randgruppen ihre Gegner sind, sondern die Finanzwelt, die soziale Ungerechtigkeit, dann könnte die Linke bei ihrer ehemaligen Stammwählerschaft wieder Fuß fassen."

"Und das Thema Aufstiegschancen wurde auch nicht thematisiert."

Das hatte ich nur eingangs ergänzend erwähnt, als ich schrieb, warum ich soziorassistisch problematisch finde - also in dem Teil, in dem ich Louis widerspreche.

"Sagt er wirklich das über die linke Politik, was du unten beschreibest ("Zerfasserung außerpolit. Opposition")."

Er sagt es nicht wortwötlich, aber im Zitat oben thematisiert er es letztlich und auch die hier diskutierte Überschrift drückt es aus: "Die Linke müsste Menschen wie meine Eltern ansprechen, ohne soziorassistisch zu sein."
Auch der Satz sagt dazu etwas aus: "Die konservative Revolution seit den Achtzigern hat auch die Sozialdemokratie oder "die Linke" erfasst. Linke Politiker haben die soziale Frage vernachlässigt und sich in technokratisches Gewäsch geflüchtet. Früher gab es Begriffe wie Hunger, Arbeit, Erschöpfung, Ausbeutung oder soziale Klassen. Die heutige Pseudolinke spricht von sozialem Dialog, Zusammenleben und Gemeingut."
In diesen Kontext passt übrigens auch, dass Louis auch innerhalb der Linken dafür angefeindet wird, dass er (in seinen Romanen) Verständnis für die reaktionären Tendenzen der Unterschicht zeigt.

Aus meiner Sicht schlägt Louis damit in eine ähnliche Kerbe, wie eine Reihe anderer mehr oder minder linker Kritiker des Neoliberalismus und der daran angepassten neu-linken Politik. Manche sprechen auch von einem linken Kulturkampf zwischen der traditionellen, dem Proletariat zugewandten Linken und der modernen bildungsbürgerlichen Linken, die eine gewisse Verachtung für die Unterschicht hegt und paternalistische Züge hat. Man könnte z.B. auch Wagenknechts "Aufstehen" als Teil dieses innerlinken Konflikts interpretieren.
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
13.12.2018
Letztlich ein uraltes Thema. Es war von vielen Familien nicht gerne gesehen, wenn die Kinder deutlich gebildeter wurden, als die Eltern. Das hinterläßt Minderwertigkeitsgefühle. Wenn der Vater nicht mehr der "Herr im Haus" ist.
Sonst übernimmt der Sohn ggf das Familien Unternehmen nicht, den Hof, das Handwerk usw.
Mädchen brauchten keine Bildung, die heiraten ja eh .....
Ach ja. Gottgefälligkeit, Demut und der Glaube an die Kirche....da war ja auch noch ein Thema ;-))

Heute ist es ggf etwas ambivalenter.
Eltern sind stolz, wenn die Kinder es "zu etwas gebracht haben". Materieller Wohlstand vorzuzeigen ist und der Beruf "was hermacht".
Klar können Meinungen betr Politik sehr gravierend von einander abweichen. War das seit den 60igern ja nicht sehr häufig so....brauchte es doch viel gesellschaftliche Umbrüche und Freiheiten für uns alle ;-))

Der "klassische" Bildzeitungsleser liest solche Artikel in der Süddeutschen wohl ehr nicht, bzw stößt sich schon an solchen Worthülsen.
Leider empfinde ich es eher als negatives Zeichen (Ausdrucksweise) unserer Zeit. Theoretisierendes Geschwurbel , was auch schon wieder ausgrenzend ist.
Wer Menschen "erreichen" will, drückt sich klar, verständlich und für alle begreifbar aus. Komplizietere Inhalte für alle verständlich zu machen, wäre schon ein guter Schritt.
Egal für welche soziale Schicht....und dann nimmt man auch alle mit. Von Bildungsarm bis Migrant.
Gerade die Politik hat da hohe Defizite.
Und leider haben dann Parteien wie die AfD leichteres Spiel. Denn "Schlagworte" raus hauen, die alle verstehen (egal, ob der Inhalt dahinter Berechtigung hat) können die ....
Früher hatten Politiker noch einen Beruf und ein normales Arbeitsleben zuvor. Heute studieren sie Politik und sind super in der Theorie...... aber sehr weit weg vom realen Leben.
Aber das ist nun ein anderes Thema.
Miteinander reden ist wohl effektiver, als übereinander..... gilt auch für "soziale Schichten" und Eltern ;-)
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
13.12.2018
Bei der bewußten Provokoation würde ich dir zustimmen. Naja, im Grunde verballhornt er ja den "rassistischen" Teil von "sozio-rassistisch". Es geht hier ja nicht wirklich um eine Ausgrenzung wegen der Rasse. Den Begriff nimmt er vermutlich nur, weil er so schön eindeutig dramatisch-böse belegt ist. Er meint ja eigentlich sowas wie "sozio-demarkiert" (oder so), also sozial ausgegrenzt. Das klingt nur nicht so gut. (Falls wir hier Soziologen haben: Dafür gibts bestimmt passendere Begriffe, die ich nicht kenne. :) Sagt gerne mal.)

Pseudo-intellektuell ist es trotzdem. Weil: "Sozio-rassistisch" klingt zwar intellektuell, ist aber eigentlich inhaltlich unpassend. Klingt also schlau, ist es aber gar nicht.

Das er jetzt irgendwelche Migrationsthemen aufgreifen möchte, habe ich jetzt nicht aus dem Artikel herausgelesen. Und das Thema Aufstiegschancen wurde auch nicht thematisiert. Eher der Konflikt zwischen den "Aufgestiegenen" und den Zurückgebliebenen. Sagt er wirklich das über die linke Politik, was du unten beschreibest ("Zerfasserung außerpolit. Opposition"). Er sagt doch eigentlich nur "Die Linken von heute haben keinen Draht zur Unterschicht". Das Risiko, das die AFD einen "zu guten" entwickelt, sehe ich auch.
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
13.12.2018
@Eliza Day

"Den Begriff soziorassistisch finde ich befremdlich. [...] Ist halt ein pseudo-intellektueller Kunstbegriff. [...] Aber auch "Politik ohne soziale Ausgrenzung", "Politik für alle" etc. würde dasselbe aussagen."

Befremdlich? Ja irgendwie schon, da der Begriff eindimensionaler ist, als die Problematik. Zum Beispiel verblasst bei diesem Begriff, dass Menschen mit Migrationshintergrund soziale Ausgrenzung und Rassismus erleben oder auch, dass Rassismus den sozialen Aufstieg verhindert. Die doppelte Arschkarte also.

Pseudo-intellektuell weniger. Aus meiner Sicht ist das eher eine bewusste Provokation, die darauf abzielt, dass Migrationsthemen oftmals von sozialen Themen abgekoppelt werden, indem sie weitgehend in den Kontext des strukturellen Rassismus gestellt und dort diskutiert werden. Verkürzt: Nicht die generellen strukturellen sozialen Probleme erfahren gesellschaftliche Aufmerksamkeit, sondern die spezifische nachteilige Situation bestimmter Minderheiten. Es geht also oft nicht um die Beseitigung der sozialen Probleme, sondern um die Verbsserung der Aufstiegschancen bestimmter, aber eben meist nicht aller betroffenen Gruppen.
Louis weist in dem Interview darauf hin, dass diese Minderheiten oftmals die gleichen Interessen haben wie die alteingesessene Unterschicht, diese jedoch in Konkurrenz zueinander stehen, bzw. gebracht werden. Dies ist keine neue linke Position, sondern wird jenseits des liberalen Bürgertums schon recht lange diskutiert. Dieser Position zufolge stärkt diese durch moderne linksliberale Politik geförderte Zerfaserung von außerparlamentarischer Opposition die Neoliberalisierung, da es keine geschlossene Gegenposition gibt, sondern viele Interessengruppen, die ihr eigenes Ziel verfolgen.
Ich denke also, dass Louis den Begriff "soziorasistisch" in diesem Kontext bewusst provokativ verwendet, quasi um die gemeinsamen Interessen der Ausgegrenzten aufzuzeigen. Es fällt also eher in den Bereich des Populismus - allerdings einer der verbinden und nicht spalten soll.

"Wenn du dich um mehr Verständigung mit bildungsfernen Schichten bemühst, ist so etwas zu benutzen eventuell kontroproduktiv."

Meiner Erfahrung nach hat es die Unterschicht nicht so sehr mit der Begriffsschärfe des Bildungsbürgertums, zumal "bildungsferne Schicht" nun auch nicht gerade einladend für einen Dialog wirkt. Ich denke, die meisten dieser Menschen sind froh, wenn es überhaupt Fürsprecher gibt oder Leute, die bereit sind, sich ihre Probleme anzuhören. Und es wäre schon sinnvoll, wenn man dies nicht den Rechtspopulisten überlässt.

"[...] "Politik für alle" etc. würde dasselbe aussagen."

Wäre prinzipiell gut und richtig, die Frage ist jedoch, ob dies nach mehr als zwei Jahrzehnten Marginalisierung der sozialen Probleme, bei gleichzeitiger medialer und politischer Konzentration auf Minderheiten, nicht zu spät käme. Wenn ja, bräuchte die Unterschicht im Mitte-Links-Spektrum klare Fürsprecher, die für sie ebenso lautstark und engagiert eintreten, wie die Fürsprecher für Minderheiten. Andernfalls besteht die Gefahr, dass die AfD dauerhaft eine Basis aus jener Gruppe rekrutiert, die bislang die größten Anteil Nichtwähler stellt. Die würde zudem die Radikalisierung der Partei vorantreiben, da der soziale Flügel der Neuen Rechten zugleich der nationalistische ist. In Frankreich, wo Louis lebt, hat der Front National den Wandel von der wirtschaftsliberalen zur national-sozialen Partei schon zum großen Teil vollzogen.
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
13.12.2018
Nö. Aber dem durchschnittlichen Arbeiter mußt du mit so einem Kram nicht kommen. ;)
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
13.12.2018
Wenn du allerdings im Feuilleton der Süddeutschen landen willst, ist er offenbar goldrichtig. ;)

Na ja, also sooo abgehoben intellektuell ist die Ausrichtung der Süddeutschen nun aber auch nicht.
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
13.12.2018
Ist halt ein pseudo-intellektueller Kunstbegriff. Wenn du dich um mehr Verständigung mit bildungsfernen Schichten bemühst, ist so etwas zu benutzen eventuell kontroproduktiv. Wenn du allerdings im Feuilleton der Süddeutschen landen willst, ist er offenbar goldrichtig. ;)

Der populistische Gegenbegriff dazu, der mehr auf bildungsärmere Schichten abzielt, ist sowas wie "Volkspartei".

Aber auch "Politik ohne soziale Ausgrenzung", "Politik für alle" etc. würde dasselbe aussagen.
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
13.12.2018
Welcher Begriff wäre denn besser - ich finde der trifft es doch recht genau?
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
13.12.2018
Eigentlich wünscht er sich eine Politik, die in der Lage ist, alle Bildungsschichten anzusprechen. Den Begriff soziorassistisch finde ich befremdlich. Total aufgekünstelt. Einfach unnötig.
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
13.12.2018
@Annette

"Ja, ich sehe das auch so wie Louis."

Es steht natürlich jedem frei, aus Interviews herauszulesen oder zu assoziieren, was man möchte, aber da bin ich mir nicht so sicher.

Er schreibt: "[...] meine Eltern ansprechen ohne soziorassitisch zu sein.“

Du schreibst: "[...] bewusst geworden, was es bedeuten kann, wenn die Kinder erheblich gebildeter sind als die Eltern. [...] Jede Diskussion erübrigt sich. Sie sind nicht in der Lage zu verstehen, nachzuvollziehen. So bleibt mir nur zu versuche sie zu verstehen und mich auf keine Diskussion mehr einzulassen."
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
13.12.2018
Eine Freundin hat mir vor Jahren mal das Buch "Das Drama des begabten Kindes und die Suche nach dem wahren Selbst" von Alice Miller empfohlen. Vielleicht ja auch für euch interessant.
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
12.12.2018
https://www.sueddeutsche.de/kultur/frankreich-die-linke-muesste-meine-eltern-ansprechen-ohne-soziorassistisch-zu-sein-1.3469363

Danke, dass Du mich auf diese neuen linken Philosophen gebracht hast.
Das Interview hat mich sehr beeindruckt.

Ich setze auch nochmal den Link über Didier Eribon hier mit rein, da er ja ein ähnliches Thema hat.
http://www.spiegel.de/kultur/literatur/didier-eribon-rueckkehr-nach-reims-der-mythos-der-revolution-a-1099396.html
Hi, über den Artikel „ Die Linke müsste meine Eltern ansprechen ohne soziorassitisch zu sein.“ der schon vor längerer Zeit in der Süddeutschen Zeitung erschienen ist, ist mir zum ersten Mal bewusst geworden, was es bedeuten kann, wenn die Kinder erheblich gebildeter sind als die Eltern. Viele Diskussionen und Streit in meiner Familie führen daher. Dabei gelte so nicht nur um das Wissen, sondern auch um Verstehen, Begreifen, das mit dem Wissen einhergeht. Ich bin 51 und meine Eltern 81. und das ist mir erst jetzt klar geworden. Jede Diskussion erübrigt sich. Sie sind nicht in der Lage zu verstehen, nachzuvollziehen. So bleibt mir nur zu versuche sie zu verstehen und mich auf keine Diskussion mehr einzulassen. Was hätte ich an Kraft gespart, hätte ich das früher gewusst.