In unserer Nachbarschaft wird nicht gestorben!

in „Politik und Weltgeschehen“

Zu diesem Thema gibt es 27 Antworten

„Saalekreis“ (Pseudonym)

hm...wie ist's denn mit Krankenhäusern ? Da wird doch im Prinzip viel häufiger gestorben

Noch viel häufiger wird aber eben nicht gestorben. Für mich ein riesiger Unterschied. Aus einem Hospiz kommt man nicht mehr lebend raus.

da beschwert sich doch auch keiner !!!

is das dein Ernst?
Da beschwert man sich schon bei nem Ausbau. Oder beim Umbau in ein überregionales Traumazentrum. Die vielen Helikopter rund um die Uhr und so weiter.
Steht nur im Moment nicht in der Zeitung. Die meisten Krankenhäuser sind ja eh schon fertig gebaut.

Im Grunde ist es vollkommen egal was gebaut werden soll, irgendwer beschwert sich immer. Und irgendeiner rennt auch immer zum Anwalt und sucht die Presse.

Drüber berichtet wird selbstverständlich nur wenn's um Einrichtungen wie Hospize geht. Alles andere ist viel zu langweilig.

Also diese Debatte erinnert mich ein wenig an das Lied vom "ehrenwerten Haus". Meiner Meinung nach gehört der Tod einfach zum Leben dazu, so wie die Geburt.
Wir haben hier in Altdorf ein wirklich großes Behindertenwohnheim und diese Menschen gehören einfach ins Stadtbild, eben einfach dazu. Ich weiß nicht wie viele Widerstände es zu beginn gegeben hat, aber jetzt definitiv nicht mehr.
Wer Angst vor dem Tod hat, sollte sich vielleicht mal damit auseinandersetzen. Für mich ist ein langes Siechtum und das der Medizin ausgeliefert sein in einem womöglich unpersönlichen Haus deutlich mehr Schrecken.
Arm, wer sich so fürchtet.

„Eppingen“ (Pseudonym)

Für mich als Jugendliche hatte das Hospiz mitten in unserer kleinen Stadt damals immer mehr an Bedeutung gewonnen. Ich erinnere mich noch sehr genau daran, wie mir in der ersten Zeit noch die kalten Schauer herunter liefen, wenn ich an dem schönen Backsteingebäude vorbei lief. Ich dachte an die alten und gebrechlichen Menschen, die stöhnend vor Schmerzen mit tiefen dunklen Augenhöhlen und abgemagert in ihren Betten liegen und ihre Hilferufe verstummen irgendwann, weil zu wenig Zeit für die Betreuung verbleibt. Dann begegnete ich an Markttagen hin und wieder ein paar Nonnen, die ältere Menschen bei ihren Spaziergängen begleiteten und dachte mir, wie schön und wichtig es sei, dass sie so am alltäglichen Leben teilhaben können. Ich besorgte mir Prospekte über das Hospiz, in dem von gemeinsamen Aktivitäten berichtet wurde und lächelnde kranke Menschen verschiedenen Alters abgebildet wurden. Ein Brunnen stand direkt vor dem Hospiz und die Sonne schien über das Gebäude dort hinüber. Ich stand so einige Male dort, um ganz bewusst inne zu halten, denn die Konfrontation mit dem Tod bringt auch eine andere Sichtweise auf das Leben mit sich - es ist endlich! Dort ist auch mein Bewusstsein gewachsen, ältere Menschen mit ihren Erlebnissen und Erfahrungen sehr wert zu schätzen und sie ganz bewusst, als Menschen mit ihren ureigenen Geschichten wahrzunehmen. Schicksale, Verluste, Kriege, Folter, Traurigkeit aber auch Glück, Liebe, Verbundenheit, Großfamilien, Fähigkeiten und Zähigkeiten, so vieles, was mit ihnen verloren geht.

So beschäftigte ich mich nach und nach mit dem Sterben, bis ich selbst meine sterbenskranken Verwandten bis zu ihrem Tode gemeinsam mit meiner Familie pflegte. Ich bin heute der Meinung, dass mir diese Begegnungen mit dem Hospiz und den dort lebenden Menschen und dem Pflegepersonal geholfen haben, die schweren Stunden gemeinsam mit meinen sterbenden Verwandten und Freunden und Bekannten zu schaffen. Die Sterbenden gehören zu unserer Gesellschaft und in unsere Mitte, so denke ich jedenfalls.

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