"Hartz IV bedeutet nicht Armut"
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Erstellt von einem Mann oder einer Frau
22.03.2018
Bei meinem Bekannten ging es darum die Leute wieder an einen normalen Arbeitsrhythmus zu gewöhnen. Also offiziell ging es darum. Ziel war es nicht besser rechnen zu lernen, sondern sich 8 Stunden mit etwas zu beschäftigen und sich zu konzentrieren.
Das geht natürlich nicht mit sinnvoller Beschäftigung, Texten die sie weiterbringen, oder gar Arbeit, das geht nur mit stupiden Aufgaben die einen Durchschnittsmenschen an den Rande des Wahnsinns bringen.
Dass die Maßnahme eigentlich Leute die schon länger arbeitslos waren massiv unter Druck setzen sollte, liegt für mich schon nahe.
Es war eine Maßnahme für Alleinerziehende zur Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt nach längerer Auszeit vom Job inkl. Bewerbungstraining.

Und dort wurde nicht nach Kompetenzen gefragt. Man kam in die Maßnahme, weil man alleinerziehend war, Schulabschluss, bisherige Berufserfahrung usw. waren unerheblich, die Klasse war ein bunt gemischter Haufen und jeder musste das Gleiche machen.
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
22.03.2018
Darf ich fragen, um was für eine Maßnahme es sich handelt? Wenn das die beschriebenen Maßnahmeinhalte sind dann ist es ja auch richtig, genau das zu machen. Die Frage ist dann nur, wie kommt der Sachbearbeiter des Jobcenters darauf, dass diese Maßnahme die richtige ist? Wenn man die Kompetenzen nachweisen kann (Schulzeugnis/Ausbildungszeugnis/Studienabschluss) braucht man wohl nix im Bereich von Grundkompetenzen (Mathe, Deutsch...), oder?
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
22.03.2018
Wir durften Mathematik-Arbeitsblätter aus der Grundschule rechnen, 1. und 2. Klasse. Also sowas wie 10+3 oder 5-2. Tagelang.
Danach mussten wir Seitenweise Scherzfragen beantworten, sowas wie "Lisa hat 3 Brüder, Tom, Tim und Toni. Jeder Bruder hat eine Schwester. Wie viele sind das insgesamt?"


Ja, exakt das ist einem Bekannten von mir auch passiert (Buchhändler) - der ist dabei fast wortwörtlich wahnsinnig geworden und ist dann letztendlich nach Finnland ausgewandert als er dort eine Arbeitsmöglichkeit bekam.
Unfassbar, dass solche Schikanen erlaubt sind.
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
22.03.2018
Wie so häufig im Leben sind die Blickwinkel aus denen etwas betrachtet wird sehr unterschiedlich. So ist es natürlich auch mit der Sinnhaftigkeit von Maßnahmen. Nach der Insolvenz meines AG im Jahre 2009 war ich begeistert schnellstmöglich in eine Fortbildungsmaßnahme einsteigen zu können. Für diese bin ich arbeitstäglich 45 km gefahren. Was mich dort erwartet hat überstieg allerdings meine Vorstellungskraft bei weitem. Die Mitarbeiter des Trägers, motiviert, kompetent, hilfsbereit trafen auf absolut kindisch, zickige, unmotivierte Teilnehmer, die in Grundsatzdisskussionen über die Sinnhaftigkeit von Maßnahmen in Frage stellten und anstatt sich mit den Lerninhalten auseinander zu setzen lieber online-Spiele absolvierten.

Mir taten die Mitarbeiter echt leid. Soviel Respektlosigkeit bin ich noch nichteinmal von pubertierenden Jugendlichen gewohnt.
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
22.03.2018
Qualifizierte Arbeit ist aktuell noch genug da.


Diese gute Nachricht scheint bei den arbeitslosen Akademikern noch nicht angekommen zu sein. ;-)

Trotz guter Ausbildung arbeiten viele Akademiker im Niedriglohnbereich. (...) Die Arbeitslosenquote von Akademikern scheint mit 2,4 Prozent zwar gering, doch täuscht die Zahl. Viele Hochqualifizierte retten sich vor Arbeitslosigkeit in unbezahlte Praktika, Traineeships oder Volontariate.

Quelle: http://www.taz.de/!5020975/
Ja komisch, dass sich so wenige über die ganzen Steuerzahlertaler aufregen, die in diese tollen Maßnahmen gepumpt werden, die nichts anderes tun sollen, als die Statistik schönfärben für teuer, teuer Geld.

Damals, exakt 14 Tage getrennt, mit 3 Kindern noch im Umzugschaos in der neuen Wohnung versucht, zurecht zu finden. Kinderbetreuung ausbauen und anleiern, Amtsgänge und Antrag auf Hartz 4 stellen, um erst mal über die Runden zu kommen...da bin ich auch zuallererst direkt in den Genuss einer solchen Maßnahme gekommen, erste Amtshandlung sozusagen, weil ich ja so lang Kindererziehungzeiten hatte.

War eine Halbtagsmaßnahme extra für Alleinerziehende, sollte ein halbes Jahr laufen.

Wir durften Mathematik-Arbeitsblätter aus der Grundschule rechnen, 1. und 2. Klasse. Also sowas wie 10+3 oder 5-2. Tagelang.
Danach mussten wir Seitenweise Scherzfragen beantworten, sowas wie "Lisa hat 3 Brüder, Tom, Tim und Toni. Jeder Bruder hat eine Schwester. Wie viele sind das insgesamt?"

2x in der Woche stand Sportunterricht auf dem "Stundenplan". Mangels Platz, Zeit und Organisation fand der gemeinsam in einer winzigen Halle mit den Gala-Männern statt. Man muss schließlich fit und gesund beim Bewerbungsgespräch sein.

Ein Exempel wurde von Amtswegen dann in den Weihnachtsferien statuiert.
Das Jobcenter hatte zwischen Weihnachten und Neujahr zu, alle Kurse hatten frei, alle Dozenten Urlaub, alles zu.
Das Jobcenter hatte vorher aber noch schriftlich mitteilen lassen, dass wir Frauen aus der Alleinerziehendengruppe Anwesenheistpflicht hätten, auf dem ersten Arbeitsmarkt müssten wir schließlich auch flexibel sein, was die Kinderbetreuung angeht.
Hintergrund war, dass bei der Mehrheit eben die Kindergärten, besonders die christlichen, zu hatten und auch keine Notgruppen anboten.
"Urlaub" gab es nicht, Krankenschein in der Zeit sollte sanktioniert werden, wer keine Angehörigen hatte, war aufgeschmissen.

An besagten Tagen saßen wir also zu sechst (von 25) mutterseelenallein die Tage in einem winzigen Raum ab und taten nichts, der Dozent ließ sich nur zum auf und abschließen des Raumes blicken. Etliche Frauen wurden danach schuldhaft von der Maßnahme abgemeldet, was automatisch bedeutete, dass Sanktionen folgten.


Das war so meine Erfahrung zum Thema Maßnahmen des Jobcenters zur Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt.

Ich muss immer lachen, wenn ein braver Steuerzahler auf den Tisch klopft und es gut findet, wenn der faule Hartz 4ler endlich mal vom Jobcenter in die Pflicht genommen wird für so eine Maßnahme. Ist schließlich sinnvoll, damit der mal endlich an die Arbeit kommt.

😂
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
22.03.2018
Wir brauchen vor allem globale und gerechte Konzepte, sonst fliegt uns unsere heile Welt um die Ohren.
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
22.03.2018
@FvL Stimmt schon, Automatisierung und vor allem auch Outsourcing ist überall ein Thema.

Wir brauchen in der nächsten Generation neue Konzepte für Arbeit, Lohn aus Arbeit, die Verteilung von Arbeit. Das wird bestimmt spannend.

Qualifizierte Arbeit ist aktuell noch genug da. Aber das hilft (siehe Statistik) den meisten Menschen ja nichts, die in HartzIV landen.
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
22.03.2018
Es ist doch ziemlich einfach:
Gibt es Arbeit, dann soll diese auch ein normales Beschäftigungsverhältnis sein.
Wenn es jeine Arbeit gibt ,dann muss auch keine Erfunden werden.
Nachher müssendie Leute Sandberge von einen Haufen auf den anderen schaufeln und wieder zurück???

Dann gäbe es sehr viele Hartz IV Empfänger nicht.
Braucht die Stadt eine saubere Stadt? Dann sollten diese Arbeit kein Ein Euro Jobber machen sondern reguläre Arbeiter die aus dem Hartz IV kommen mit unbefristeten Verträgen und normalen Gehalt .
Alles andere ist eine Zumutung.
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
22.03.2018
Mia, you made my day!!!

"Erschreckenderweise geht es aber gar nicht so selten um ganz andere Dinge, da werden Arbeitssuchende in einer Maßnahme über das "innere Kind" "informiert""

Ich finde, dass wir hier auf rubensfan auch eine Fortbildungsecke einrichten sollten.
Da sind glaube ich so einige, die die Maßnahme "Das innere Kind" besuchen können, nicht nur H4ler :))
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
22.03.2018
Wenn demnächst die Digi 4.0 Welle in den Büros und Werkhallen ankommt werden wir als Gesellschaft eh andere Konzepte finden müssen. Die Zeiten in denen man fuer ne 4 Tage Woche in der Autofabrikation, dafuer das man Schrauben in Blech drückt 5600,- kassiert, während in der Pflege der Mindestlohn regiert, sind gezählt. Kreditoren und Debitorenbuchhaltung werden in den Konzernen von Bots erledigt, der Umbau läuft bereits in diesen Abteilungen. Da heisst es demnächst fuer viele: "Hallo, willkommen im Dienstleistungsprekariat! Alle Fahrten gehen rückwärts und nach unten!"
Die Verteilungskämpfe sind ja jetzt schon Realität.

Hauptsache die Wirtschaft brummt. ;-)
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
22.03.2018
@Hanna, der Mann KONNTE nicht "aufstocken"...der konnte wirklich nicht mehr arbeiten. Allein die Busfahrt zum Kurs hat ihn schon so geschafft, dass er maximal eine Stunde mitarbeiten könnte. Und er hat nicht simuliert, er gab sich wirklich Mühe. Der Mann war einfach krank. Und das Jobcenter wollte ihm Arbeit anbieten, die mehr als sechs Stunden pro Tag betrug. Was soll das?

Erschwerend kommt hinzu, dass diese "drei Stunden" (pro Tag) einfach eine magische Grenze sind, ähnlich wie die 50% GdB (denn ab da wirds einfach spannend mit mehr Urlaubsanspruch, der Möglichkeit auf Frührente, etc.), denn weniger als drei Stunden arbeiten können, bedeutet nicht mehr arbeitsfähig/vermittelbar zu sein und das soll schon vermieden werden. Ob diese Entscheidungen denn nun immer richtig sind oder ob da einfach Druck dahinter ist und man dann auf Kosten anderer eine falsche Entscheidung trifft, ist eine andere Frage. Oftmals treffen genau diese falschen Entscheidungen dann auf genau die Menschen, die nicht mehr die Kraft haben oder auch nicht den Mut (und die Möglichkeiten) sich zu wehren.

Die Gängeleien von Jobcentern bedeuten übrigens u.a. auch oft zu Maßnahmen u.ä. "entsendet" zu werden. Selbstverständlich vom Steuerzahler finanzierte Maßnahmen und zwar gar nicht so knapp finanziert. Für rk76 im vorauseilenden Gehorsam: ja, selbstverständlich ist es gut, dass Arbeitssuchende Bewerbungstraining machen oder ihre Computerkenntnisse auffrischen. Erschreckenderweise geht es aber gar nicht so selten um ganz andere Dinge, da werden Arbeitssuchende in einer Maßnahme über das "innere Kind" "informiert", da wird Arbeitssuchenden erklärt wie das Gehirn lebenslang lernt (es handelt sich bei den Arbeitssuchenden übrigens hierbei nicht um Sozialwissenschaftler oder Gehirnchirurgen, sondern um Lagerarbeiter und Bürohilfskräfte) oder es wird (ohne Spaß) Arbeitssuchenden erklärt, was ein Girokonto und was eine Überweisung ist ("denn viele HartzIV-Empfänger wissen das nicht") (nur zur Klarstellung, es handelt sich hierbei nicht um eine Bitte von HartzIV-Empfängern oder solchen, die regelmäßig dadurch aufgefallen sind, dass sie versuchen Bargeld aus den Kontoauszügen freizurubbeln, sondern, es wird schlicht davon ausgegangen, dass HartzIV-Empfänger zu unwissend sind für die kleinsten Lebensaufgaben) oder aber eine Typ-Beraterin erzählt etwas von ihrer Arbeit. Nicht etwa, damit die Arbeitssuchenden etwas mehr aus ihrem Typ machen können (denn sie erhalten dazu keine konkreten Vorschläge), sondern die Typberaterin erzählt, was sie dann tolles machen würde aus den Kunden, wenn diese dann zu ihr in die (kostenpflichtige) Beratung kommen würden. Macht dann natürlich keiner. Von was auch bezahlen?
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
22.03.2018
@Patty Ich bezog mich nicht auf dein konkretes Beispiel, das war mehr allgemein. Wenn jemand krank ist, ist er krank.
@Hanna, der Mann KONNTE nicht "aufstocken"...der konnte wirklich nicht mehr arbeiten. Allein die Busfahrt zum Kurs hat ihn schon so geschafft, dass er maximal eine Stunde mitarbeiten könnte. Und er hat nicht simuliert, er gab sich wirklich Mühe. Der Mann war einfach krank. Und das Jobcenter wollte ihm Arbeit anbieten, die mehr als sechs Stunden pro Tag betrug. Was soll das?
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
21.03.2018
Löhne in Vollzeit auf HartzIV-Niveau finde ich irgendwie gruselig. Wenn man nur 3h arbeiten kann und deshalb aufstocken muß, dann geht es wohl nicht anders. Aber sonst.... sowas sollte nicht sein .
Ja, @rk76 versteht das nicht...ich hatte jemanden in einem "Kurs", der Anfang sechzig war und sowieso nicht mehr als 3 Stunden am Stück arbeiten konnte - wieso, um Himmels willen, schickt so jemandem das Jobcenter noch Arbeitsvorschläge?
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
21.03.2018
Passend dazu, mein Beitrag von heute irgendwann, in einem Nachbarthema über Sarkasmus:

"Es setzt aber voraus das ein vergleichbares Maß an Bildung und Humor vorhanden ist, damit gewisse Spitzen und Bezüge auch verstanden werden. "

Nicht nur das, finde ich, auch eine gemeinsame Erlebniswelt. Aufgrund des HartzIV Nachbarthemas wage ich zu behaupten, dass Menschen, die noch niemals länger mit den zuständigen Behörden zu tun hatten, sarkastische Bemerkungen zu diesen überhaupt nicht verstehen.
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
21.03.2018
Böser Junge ;-P
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
21.03.2018
Also wenn es Gängelung und Überwachung bedeutet dass man sich als ALG II-Empfänger um einen Job bemühen muss ist das Problem dann aber definitiv nicht das Jobcenter.

Und wenn Du das dabei herausliest, ist das Problem definitiv Deine überschwängliche Interpretationskraft, @rk76de.
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
21.03.2018
"Das hätte zur Folge, dass die Überwachung und Gängelung durch das Jobcenter ein Ende hätte und auch das Stigma wegfallen würde. Beides ist bei einem 1-€ Job nicht der Fall, der 1€ Jobber ist ja nach wie vor Hilfeempfänger, muss sich bewerben, zu "Einladungen" erscheinen, etc. "

Also wenn es Gängelung und Überwachung bedeutet dass man sich als ALG II-Empfänger um einen Job bemühen muss ist das Problem dann aber definitiv nicht das Jobcenter.
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
21.03.2018
@ Mia
"Und meiner Ansicht nach sollte es übrigens GAR KEINE Zeitarbeitsfirmen geben. 🙈🙊 "

Ich habe vor Urzeiten viele gutbezahlte Jahre für eine Zeitarbeitsfirma gearbeitet. Für mich ist daraus überdies ein reichhaltiger Erfahrungsschatz entstanden, den ich sonst niemals hätte haben können. Aber es war eben auch eine andere Zeit. Für mich war es ein Segen. Und war es gedacht und so sollte es sein. Es wird eben nur wie so vieles falsch "gelebt". Einfach schade!
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
21.03.2018
dass er über Zeitarbeitsfirmen im Lager schaffen darf und der Lohn trotzdem nicht über Hartz 4 Niveau rausgeht

Dieser Aufstocker hat durch den Freibetrag mehr als der "reine" HartzIV-Empfänger. Nur, wenn sich jemand entscheidet, dass er nicht zum Jobcenter möchte, hat er weniger oder gleich viel wie ein HartzIV Empfänger. Und diese richtige Besserstellung müsste dann selbstverständlich auch für den gelten, der einen Job mit Solidareinkommen ausübt, also das Niveau.

Und meiner Ansicht nach sollte es übrigens GAR KEINE Zeitarbeitsfirmen geben. 🙈🙊

Edit: und ein höherer Mindestlohn für alle müsste es sowieso sein, siehe auch mein erster Beitrag heute.
Dann wäre aber ein höherer Mindestlohn für alle Voraussetzung. Oder wie willst du dem Aufstocker sonst erklären, dass er über Zeitarbeitsfirmen im Lager schaffen darf und der Lohn trotzdem nicht über Hartz 4 Niveau rausgeht, während der Mensch im Solidarjob raus aus der Nummer ist?
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
21.03.2018
@Mia
Ich bemühe mich redlich! Will es mir doch einfach nicht gelingen ;-))