Kurz vor der Bundestagswahl möchten wir vielleicht die wichtigen Punkte besprechen, die (so scheint's mir) die meisten Parteien aus ihren Wahlkampfkatalogen gestrichen haben.
Das Thema der Krankenversicherung ist meiner Meinung nach ein zentrales, jedenfalls nicht weniger wichtiges Thema als z.B. die in diesem Forum bereits diskutierte (und von mir nicht akzeptierte) "Ehe für alle".
Wie sehen Sie die Koexistenz der beiden Versicherungsarten? Läuft es gut mit der medizinischen Versorgung in Deutschland? Oder sollte man etwas verändern? Soll man die PKV in der jetzigen Form komplett abschaffen? Oder doch eher das schweizerische Modell einführen? Oder den berühmten deutschen dritten Weg beschreiten?
„Jülich“ (Pseudonym)
@Bricriu Ich wäre für das Abschaffen der Privatversicherung. Bei so etwas Wichtigem wie medizinischer Versorgung sollte es kein Zwei-Klassensystem geben.
Könntest du die beiden Modelle unten, die du erwähnst, kurz erläutern?
„Lübbecke“ (Pseudonym)
Schweizer Modell: Bürgerversicherung, heißt dass jeder Sozialversicherungsbeiträge zahlt und es keine Ausnahmen gibt.
Der deutsche Weg:
Der aktuelle Ist-Stand.
@Hanna:
Erstaunlicherweise bin ich auch dafür, wenn auch nicht NUR aus den von Ihnen aufgeführten Gründen.
Der "berühmte deutsche dritte Weg" sollte den deutschen Sonderweg bezeichnen, weil ich oft höre, Deutschland sei besonders und andere Systeme auf es nicht 1 zu 1 anwendbar. Dieser Weg bedeutet also einen beliebigen Vorschlag, der nach der Meinung des Autors für Deutschland geeignet wäre.
Das schweizerische Modell beinhaltet (ganz vereinfacht) eine Grundversicherung, die für jeden einzelnene (keine Familienversicherung möglich) Pflicht ist und mit einer Selbstbeteiligung verknüpft ist.
Das wirklich ungerechte in diesem System liegt in der Beitragsbemessungsgrenze. Wer mehr als 4350 Euro im Monat verdient, kann sowohl aus der gesetzlichen KV wie auch aus der Rentenversicherung aussteigen. Er braucht dann auch nicht mehr in die solidarischen gesetzlichen Versicherungen einzuzahlen. Weil diese also nur aus den unteren und mittleren Einkommen finanziert werden, entsteht quasi ganz von selbst eine Unterfinanzierung. Wenn diese Grenze aufgehoben würde, müssten sich alle nach ihren Möglichkeiten beteiligen, und vor allem durch die Beiträge der besser Verdienenden könnten die Beiträge für alle deutlich sinken. Wie hoch ist der Beitragssatz in der Schweiz aktuell?
Seit ich gezwungender Weise in die PKV bin, hat sich der Beitrag um geschmeidige 350% erhöht. Das in knapp 16 jahren. Letztes jahr +21% dieses nur 11%
Wenn ich könnte würde ich sofort wieder in die GKV gehen.
Gezwungenerweise muss niemand in die PKV. Du hättest auch als Selbstständiger oder Beschäftigter oberhalb der Bemessungsgrenze in der GKV bleiben können. Allerdings gibt es nach derzeitiger Gesetzeslage kein Zurück...es sei denn, du gehst ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ein.
Das Problem sehe ich, wie auch HGL, in der Beitragsbemessungsgrenze. Eine gesetzliche Sozialversicherung ist nach meinem Verständnis nur dann sozial, wenn sich alle daran beteiligen müssen. Es würde ja dann allen, die es sich leisten können freistehen, eine private Zusatzversicherung abzuschließen.
@rudi:
Genau aus diesem Grung auch müsste man die PKV abschaffen.
Seit der letzten Reform sind jegliche Regeln der PKV gebrochen worden: PKVs MÜSSEN z.B. jeden in den Basistarif aufnehmen, unabhängig von seiner Gesundheit.
Außerdem legen die PKVs immer neue, angeblich günstige, Tarife auf, damit junge, gut verdienende aber dumme Menschen zu guten Konditionen einsteigen können. Dann altern die Tarife mit der Zeit und werden geschlossen. Und dann wird's zu einer Falle, aus der man nur mühsam herauskommen kann.
@HGL:
Es gibt keine Bemessungsgrenze. Jede Grundversicherungskasse kann theoretisch beliebig hohe Beiträge verlangen.
In Wirklichkeit ist das durch die Gesetzgebung stark eingeschränkt: Es gilt die sog. Kopfprämie, die sich nach den vom Gesetzgeber festgelegten Prämienregionen und Altersgruppen richtet und einkommensunabhängig ist.
So gesehen hat die Grunversicherung in der Schweiz Elemente der PKV in sich und ist relativ teuer, zumal man sich für bestimmte Leistungen zusätzlich privat versichern müsste.
Da habe ich meine Frage wohl nicht konkret genug gestellt. Ich bin davon ausgegangen, dass in der Schweiz alle den prozentual gleichen Anteil von ihrem Gehalt zahlen müssen. Und nach dessen Höhe wollte ich fragen, um ihn den bei uns geltenden Beitragssatz von 14,5 % gegenüber zu stellen. Die Regelungen im Detail finde ich aber durchaus auch interessant.
„Jülich“ (Pseudonym)
Die Gehälter in der Schweiz sind einfach in einer ganz anderen Liga. Was da an freiem Geld zur Verfügung steht, kann man nicht mit Deutschland vergleichen, selbst wenn die Krankenkasse selbst übernommen werden muß. Aber würden hier bei jeder Behandlung 10% der Rechnung selbst bezahlt werden müssen, könnten sich viele medizinische Behandlung gar nicht leisten.
Die Löhne sind doch in Deutschland wirklich niedrig inzwischen.
@Hanna:
Vergessen Sie nicht, dass auch alle Preise, auch für einfache Lenbensmittel, viel höher als in Deutschland sind.
Die Gehälter sind, relativ gesehen, nicht hoch, auch für Akademiker. Wenn Sie jetzt unter 70 Tsd. EUR brutto p.a. verdienen, müssten Sie in der Schweiz ungefähr Ihr jetziges Gehalt in EUR mit dem Faktor (je nach Branche) 1,8 bis 2 multipliziert in CHF kriegen.
In den Großstädten wie Zurüch gibt es viele arme Menschen. Denn obwohl die Gehälter dort um bis zu 15% höher als in der ländlichen Schweiz liegen, ist alles um so viel teurer, vor allem Miete, Immobilien, Dienstleistungen.
Ich habe in der Dorfkirche in Saas-Grund (Wallis) mal ein Flugblatt gelesen, in dem es um eine einfache katholische Familie mit 5 Kindern aus dem Raum Zürich ging, für die man Kleidung sammellte. Nicht zu glauben, oder...
Ich wäre auch für die Abschaffung der PKV und die Einführung einer gesetzlichen Krankenversicherung, die dann für alle gilt. Vom Straßenfeger, über den Steuerberater bis zum Aufsichtsratsvorsitzenden.
Man kann sich sehr gerne zusätzlich privat versichern und auch das ist heute schon möglich, aber den Grundbeitrag ins System sollte JEDER zahlen. Eine Beitragsbemessungsgrenze fände ich schon sinnvoll, wo diese anzusetzen ist und ob unsere heutige passt wäre dann die Frage. Ich denke aber auch, dass wenn alle in der PKV wären diese genügend Geld zur Verfügung hätten. Ich würde auch die Zahl der PKVs begrenzen, denn in Deutschland brauchen wir keine 2 oder 3 Stelligen Zahlen an Krankenversicherungen, die alle eigene Verwaltungen und Aufsichtsräte finanzieren.
Interessant wären z.B. Krankenversicherungen nach einem Genossenschaftsmodell. Komisch, dass es so etwas heute noch nicht gibt?
Ich glaube, Du meintest GKV bei "... wenn alle in der ... ".
Ja richtig. Danke für den Hinweis. Das war ein Vertipper. Kann es leider nicht mehr editieren.
„Bünde“ (Pseudonym)
Wenn wir alle GKV Versichert wären hätten wir keine Ärzte mehr. Uns würde es gehen wie Bulgarien und Ungarn. Die Ärzte wandern aus oder lassen sich Patienten einfliegen denn Sie können mit günstigen Konditionen locken.
Zudem haben wir hier "sehr" teuere Medikamente, die z.B. in den Niederlanden deutlich günstiger sind. Das hat meiner Ansicht nach mit dem GKV System zu tun wo es praktisch "keine" Zuzahlung gibt.
Das glaube ich weniger. Die Ärzte haben in den letzten Jahren das Jammern gelernt. Beim großen Ärztestreik vor einigen Jahren konnten sie sich noch Studenten leisten, die sie für ihren "Streik" bezahlt haben. Ausserdem kann man sich ja weitergehend für z.B. Chefarztbehandlungen privat zusatzversichern. Es müsste also kein Arzt Not leiden. Und wenn alle in die GKV einzahlen, verbessert das auch die Versorgung für alle. Das sollte doch auch im Interesse der Ärzte sein.
„Esslingen am Neckar“ (Pseudonym)
Nein es hilft nicht allen. Die GKV bezahlt die Leistungen schon seid Jahren nicht kostendeckend, deshalb arbeiten viele Ärzte heute schon mit den Igelleistungen. Der normale Allgemeinarzt hat einen Mix aus PKV und GKV so das es sich für ihn lohnt. Das ist auch mit ein Grund warum junge Ärzte lieber in einer größeren Stadt arbeiten als auf dem Land. Hier sind für den Arzt die Kosten höher und dieser Mix ist nicht gegeben. Zu sagen wir schaffen einfach die PKV und nehmen das gesamte Geld für die GKV ist zu kurz gegriffen denn die GKV ist gedeckelt, es wurde also niemals genug Geld ankommen. Viele Leistungen die heute in der GKV drin sind würden rausfallen weil dann das Geld nicht mehr da ist. Gerade Patienten die chronisch krank sind hätten hier das nachsehen.
Zum Schweizer Modell, hier ist nur eine Grundversorgung gegeben, spezielle Leistungen sind dort nicht drin und auch entsprechend teuer wenn man sie benötigt.
Was auch viele vergessen, Schweizer Krankenhäuser verlangen Steuern von den Einwohnern der entsprechenden Gemeinde weil sie sonst garnicht kostendeckend arbeiten könnten zudem ist es in der Schweiz so das Krankenhauser in kleinen Gemeinden dadurch nicht alle Leistungen anbieten können. Wer also zb ein Problem mit dem Herz hat kann dort nicht in jedes Kh gehen.
Hier nochmal ein Überblick über das Schweizer System :
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Gesundheitswesen_in_der_Schweiz
Mit der Umstellung des Modells und anderer Finanzierungsgrundlage ergeben sich natürlich auch andere Änderungsmöglichkeiten, dazu müsste sich die Politik Gedanken machen. An der Kommission, die jetzt im Rahmen der GKV über die Behandlungsmöglichkeiten berät und diese beschliesst, sind übrigens über die Kassenärztliche Vereinigung auch Ärzte beteiligt. Insofern ist die Darstellung der Ärzteschaft, sie hätten keine Einflussmöglichkeit und könnten nicht kostendeckend arbeiten, für mich schlicht unglaubwürdig und eine reine Lobby-Behauptung. Vorschläge der Ärzte zur Verbesserung der Versorgung der Allgemeinheit und deren Finanzierbarkeit nehme ich jedenfalls kaum wahr, meistens geht es bei öffentlichen Äusserungen der Ärzte um ihre Finanzen.
Zitat: "Wer mehr als 4350 Euro im Monat verdient, kann sowohl aus der gesetzlichen KV wie auch aus der Rentenversicherung aussteigen."
Das ist natürlich Blödsinn. Aus der Rentenversicherung kann niemand aussteigen, es sei denn er ist in keinem angestelltem Verhältnis.
Lediglich steigt ab dem Grenzwert die Rentenbeitragszahlung nicht mehr, sondern bleibt fix bei diesem Wert. Gleichzeitig steigt aber auch die zu erwartende Rente nicht weiter. Also alles in Butter.
Ich bin ehrlich gesagt für die Abschaffung der gesetzlichen Krankenversicherung. Sie ist ein Verwaltungsmonster und führt zu schlechten medizinischen Leistungen ihrer Versicherten. Wenn ich sehe, wie wenig ein Arzt an einem gesetzlich Versicherten verdient, dann verstehe ich schon warum er sich nicht um diese Kunden reißt.
Andererseits bekomme ich oft mit, welche Behandlungen ein gesetzlich Versicherter aus eigener Tasche bezahlen muß, die ein privat Versicherter selbstverständlich erstattet bekommt. Und das sind keine Luxusbehandlungen, sondern absolut notwendige Dinge (z.B. hatte ich vor 2 Jahren an beiden Füßen Fersensporne, ein gesetzlich Versicherter hätte nur Einlagen für ein paar Schuhe bekommen, ich habe eine Stoßwellentherapie bekommen und war nach 2 Wochen beschwerdefrei. Kosten: 2000€, Wirkung: absolut).
So etwas ist die eigentliche Sauerei.
Solidarisch ist eine private Versicherung natürlich auch, denn in jedem Tarif zahlt der Tarifpool für die anderen mit. Und wird der Tarifpool zu klein, kann man mittlerweile auch ganz gut in einen anderen wechseln. Leider ist jetzt durch die Aufnahme von Frauen in gemischte Tarife der Beitrag angestiegen (Frauen sind öfter und länger krank als Männer). Insofern ist die Gruppenbildung hier auch abgeschwächt.
Während die privaten Krankenversicherungen versuchen wirtschaftlich zu arbeiten, ist der Ansatz der gesetzlichen genau das Gegenteil. Je kränker die Mitglieder sind, desto höher können die Beiträge angesetzt werden. Desto höher fallen ihre prozentual anteiligen Allgemeinkosten aus, desto mehr Mitarbeiter können sie einstellen und damit wächst die Versicherung in Summe. Das ist sehr paradox, unwirtschaftlich und zum Schaden der Versicherten.
Also, weg mit der gesetzlichen Krankenversicherung!!!
Ich bin der Meinung, dass es längst überfällig ist, eine "Bürgerversicherung" für alle einzuführen und das bisherige System komplett zu verändern. Unser Gesundheitssystem ist so marode, dass es dringend neuen Ansätze braucht, damit wir weiterhin medizinisch gut versorgt bleiben.
Die Beitragsbemessungsgrenze liegt bei 4350 € monatlich, sowohl in der GKV als in der Rentenversicherung. Das Problem daran ist, dass dadurch nur die geringeren Einkommen sich die Kosten teilen müssen und eine Unterfinanzierung unausweichlich ist. Das ist der erste Grund, weshalb ich für eine Bürgerversicherung unter Beteiligung sämtlicher Einkommen bin. Darüber hinaus muss die GKV mehr Leistungen übernehmen, dass diese wie in den letzten Jahren zu Ungunsten der Versicherten immer weiter gekürzt werden, kann nicht so bleiben. So wie in England, wo im Prinzip jede Leistung kostenlos ist, aber nur den absoluten Mindeststandard abdeckt, kann die Lösung aber auch nicht aussehen.
Ich kenne einige Beamte, die lieber von heute auf morgen in die GKV wechseln würden. Sie müssen häufig für Behandlungen in Vorleistung gehen, ohne zu wissen, wieviel der Kosten ihnen im Nachhinein erstattet werden. Da kann dann eine einfache Orthese mal eben mit 1000€ und mehr zu leisten sein....Dazu kommt, dass jeder Arzt am liebsten jede Untersuchung doppelt durchführen würde, weil er den 2,3 fachen Satz abrechnen will.
Die Abschaffung der GKV würde wie in den USA vor Obama dazu führen, dass viele keine Versicherung mehr hätten. Das haben inzwischen selbst die rückschrittlichen Republikaner erkannt, dass das keine Lösung ist.
Das ist doch Quatsch. Führt die private Krankenversicherung in Deutschland dazu, daß viele keine Versicherung haben? Nein. Ganz einfach weil wir einen Versicherungzwang haben - eben in Gegensatz zu Amerika. Nur können wir wählen, zwischen einem kommunistischen und einem privatwirtschaftlichen System die bedingt in Konkurrenz stehen. Statt, typisch deutsch, die schlechtere der beiden Varianten, sollten wir die bessere wählen: Geringere Kosten + mehr Leistung. Wer will das nicht?
Wir haben also ein kommunistisches System hier in Deutschland? Das ist interessant. Seit wann haben wir denn den Kommunismus hier? Da musst Du mich aber dringend mal aufklären!
Wir haben hier keinen allgemeinen Versicherungszwang, lediglich die sozialversicherungspflichtig Beschäftigten müssen in eine GKV (ich glaube, Ärzte haben noch andere Möglichkeiten..).
Wer eine bestimmte Einkommenshöhe überschreitet, kann in die PKV wechseln und freut sich in jungen Jahren an günstigen Tarifen.
Im Alter steigen dann die Tarife :-(, der Weg in die GKV ist schwierig bis unmöglich.
Wer dann chronisch krank ist....
Natürlich bilden GKV und Kassenärztliche Vereinigung eine unheilige Allianz, aber dies rechtfertigt nicht die Auflösung der GKV.