Interessanter Fachartikel zu Medikationsdosierung bei Dicken
Forum für Dicke, Mollige und Übergewichtige

Gesundheit & Wellness

Erstellt von einem Mann oder einer Frau
27.09.2013
Finde ich herrlich. Bevor man sich überhaupt darum kümmert, wie man Medikamente für Adipöse richtig dosieren könnte, damit die vielleicht gar nicht erst krank werden oder keine schlimmen Probleme kriegen, kümmert man sich lieber darum, wie Magenamputierte hinterher einigermaßen am Leben gehalten werden können. Das nenn ich mal Ursache und Wirkung verkennen.

Meiner Meinung nach könnte man fast alle Probleme rund um Adipositas lösen, wenn man sich mal mit der Erforschung und Bekämpfung von PCOS beschäftigen würde. Das ist nämlich nicht bloß ne Kinderkriegbehinderung, sondern eine ernsthafte Stoffwechselstörung, die nicht von Übergewicht verursacht wird, sondern die Übergewicht verursacht. Und Diabetes. Und und und. Aber statt dessen amputieren wir lieber gesunde Körperteile. :(
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
12.09.2013
also...es ist schon nicht umsonst, dass vor jeder op nach größe,gewicht und weiteren details gefragt wird.man sollte davon ausgehen, dass anästhesisten ihren job erlernten und bewußt die richtige wahl treffen bei den dingen die sie ihren patienten geben.natürlich sind dicke immer eine größere risikogruppe-das ist wohl jedem klar.doch auch schlanke haben nebenwirkungen nach narkosen.
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
10.09.2013
Nein das ist die unberechenbare Einlagerung im Fettgewebe statt des berechneten ausgeatmeten Gases. Es gibt keine Lehrbücher für Anästhesisten wie sie Narkotika bei Adipositas dosieren. Da es bei jedem Patienten zu individuellen Reaktionen kommt, die nicht verallgemeinert werden können. Auch die Kontrolle der ausgeatmeten Luft hilft wenig, denn schon mit dem nächsten Atemzug könnte dein Fettgewebe mehr freisetzen oder mehr einlagern und du wachst entweder sofort oder gar nicht auf. Genau so wurde es mir erklärt.
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
04.09.2013
Jetzt weiß ich auch, warum mir nach einer Vollnarkose der gesamte Tag fehlt.
Das ist dann wohl die Elefanten-umhau-dosis......
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
04.09.2013
sehr schöne übersicht
Erstellt von einem Mann oder einer Frau
03.09.2013
Aus DocCheck News von Matthias Bastigkeit:

Dosierung bei Dicken: Ein schwerer Fall
3 x täglich eine Tablette - die Fachinformation gibt meist die Menge der Darreichungsformen pro Tag oder aber bezogen auf die Körpermasse in mg/kg Körpergewicht an. Gilt denn wirklich „je schwerer der Patient, desto größer die Dosis?"
Die Adipositasprävalenz steigt stetig an und betrifft aktuell etwa 24 Prozent der Erwachsenen. Übergewichtig sind sogar 67 Prozent der Männer und 53 Prozent der Frauen. Gerade für extrem adipöse Patienten verlangt die Dosierung viel Fingerspitzengefühl. Die Datenlage ist sehr dürftig. Da Adipöse sowieso zu einer Risikogruppe gehören, wird die Pharmakotherapie noch risikoreicher.
Die Gesamtmasse des Patienten kann ja überwiegend aus Fett, Wasser oder Muskelmasse bestehen. Diese unterschiedlichen Verteilungsräume bieten einen „Tummelplatz“ für Arzneimittel. Je nach den Eigenschaften eines Pharmakons kann es sich in unterschiedlichen Kompartimenten verteilen. Dies hat einen erheblichen Einfluss auf die Wirkdauer und Stärke eines Arzneimittels. Das Normalgewicht wird nach dem Broca-Index berechnet. Der französische Arzt und Anthropologe Paul Broca definierte im 18. Jahrhundert die Formel: Körpergröße in cm minus 100 = Normalgewicht. Im 20. Jahrhundert wurde das Idealgewicht definiert. Dieses liegt 10 Prozent unter dem Normalgewicht. Der Body-Mass-Index (BMI) wird aus der Körpermasse in kg und der Körpergröße in Metern ermittelt (kg/Körpergröße (m)2.
Daraus ergeben sich folgende Adipositas-Grade:
30 – 34 Adipositas Grad 1 35 – 39 Adipositas Grad 2 > 39 Adipositas Grad 3
Die Adipositas selbst ist eine eigenständige Erkrankung. Durch Begleiterkrankungen wie Diabetes kann es zu weiteren Änderungen der Arzneistoffwirkung kommen.

Fett wirkt metabolisch
Das Verteilungsvolumen für Arzneimittel, die sich im Körperwasser verteilen, ist bei Adipösen um 30–50% erhöht. Das Übergewicht eines Patienten besteht schließlich nicht nur aus Fett. Der Anteil an Sehnen, Muskeln und Gefäßen an der Gesamtmasse ist unbekannt. Bringt ein Patient, ausgehend vom Normalgewicht, 50 Prozent mehr auf die Waage, benötigt er deshalb nicht 50 Prozent mehr Arzneistoff.
Bei adipösen Patienten kommt es u.a. zu folgenden pharmakokinetischen und –dynamischen Veränderungen
das zirkulierende Blutvolumen nimmt aufgrund der hohen metabolischen Aktivität des Fetts zu; 100 kg Fett benötigen 3 l/min des Herzzeitvolumens der systemische Gefäßwiderstand nimmt ab beides führt zu einer Zunahme des Schlagvolumens im Vergleich zum normalgewichtigen Patienten haben Adipöse weniger Gesamtkörperflüssigkeit
sie verfügen über ein erhöhtes Blutvolumen, dadurch ist häufig die renale Clearance gesteigert mehr Fettgewebe eine höhere fettfreie Körpermasse (lean body mass) das Verteilungsvolumen für lipophile Substanzen steigt, eine erhöhte Loadingdose ist häufig notwendig die verminderte Leberdurchblutung kann zu metabolischen Störungen führen
die Dichte unterschiedlicher Rezeptoren nimmt in Relation zur Körpermasse ab; die Dosis für diese Substanzen muss dann häufig gesteigert werden, beispielsweise beim relativen Insulinmangel
Die glomeruläre Filtrationsrate und renale Perfusion scheinen bei normal- und übergewichtigen Personen ähnlich zu sein, so dass die Elimination von hydrophilen und extensiv renal eliminierten Arzneistoffen hauptsächlich von der Kreatininclearance abhängig sind. Deshalb werden für Arzneistoffe wie z.B. Piperacillin/Sulbactam, Aciclovir, Cotrimoxazol, Fludarabin, Methotrexat Standarddosierungen bzw. Dosierungen basierend auf dem idealen Körpergewicht (IBW) verwendet. Zahlreiche Eigenschaften des Arzneistoffes bestimmen die Kinetik bei adipösen Patienten: Löslichkeit der Substanz (hydrophil, lipophil), Verteilung im Fettgewebe, therapeutische Breite.
Bei Pharmaka mit geringer therapeutischer Breite wie Digitalisglykoside, Theophyllin, Vancomycin, Phenytoin u.a. sollte klinisch ein Monitoring angestrebt werden. Die Dosierung erfolgt häufig auf der Grundlage des Idealgewichtes. Dies gilt u.a. für Digoxin, Immunsuppressiva, HIV-Medikamente und Antiepileptika.

Narkosemedikamente besser untersucht
Die meisten Studien zur Änderung der Kinetik bei adipösen Patienten liegen für Narkosemedikamente vor. Ein Grund mag sein, dass viele der Substanzen eine enge therapeutische Breite haben. Auch handelt es sich um invasive, meist klinische Eingriffe bei denen der Patient sehr differenziert überwacht wird. Diese Umstände vereinfachen die Erhebung kinetischer Arzneistoffdaten.
IBW = Ideal Body Weight; TBW = Total Body Weight LD = Einleitungsdosis MD = Erhaltungsdosis
PK = Pharmakokinetische Masse n.d. = nicht definiert wegen nicht-linearen Zusammenhangs
Bei Medikamenten, die überwiegend oder ausschließlich im fettfreien Gewebe (Muskulatur, Knochen, Organe) verteilt werden, soll der initiale Bolus auf dem idealen Körpergewicht (IKW) basieren. Wird das Medikament gleichmäßig im fettfreien Gewebe und ins Fettgewebe verteilt, legt man das totale (aktuelle) Körpergewicht (TKS) zugrunde.

Zytostatika häufig unterdosiert
Prof. Dr. Dorothee Dartsch, Uni Hamburg, untersuchte die Dosisgaben bei adipösen Karzinompatienten. In der klinischen Praxis erhalten Übergewichtige häufig eine niedrigere Dosis als die, die ihrem tatsächlichen Körpergewicht angemessen wäre. Die Reduktion der Dosisdichte führt jedoch vielfach zu einem geringeren Effekt. Auch bei Adipositas sollte das tatsächliche Körpergewicht zur Berechnung der KOF und der Dosis verwendet werden. Dies gilt v.a. wenn keine anderen Co-Morbiditäten dagegen sprechen oder es sich um eine kurative Therapie handelt. „Die Datenlage ist sehr dünn für extremes Übergewicht und fortgeschrittene Tumoren“, so Dartsch.

Leitlinien geben Onkologen Hilfestellung
Die American Society of Clinical Oncology hat Empfehlungen für die zytotoxische Chemotherapie bei Adipösen erarbeit. Zur Dosisfindung für Zytostatika werden üblicherweise randomisierte Studien durchgeführt, die als Grundlage die geschätzte Körperoberfläche (KOF; body surface area, BSA) nutzen. Onkologen verwenden häufig noch immer das Idealgewicht oder adjustierte Idealgewicht oder kappen die KOF. Dies ist die Folge der Angst, die Patienten mit den Substanzen mit meist geringer therapeutischer Breite überzudosieren. Unterschreitet eine Substanz die minimale therapeutische Konzentration, tritt kein therapeutischer Effekt ein. Es ist eine irrige Annahme, dass das Pharmakon nur weniger wirkt. Wird die notwendige Minimalkonzentration unterschritten, sind jedoch unerwünschte Wirkungen möglich. Als Beispiel können Opiate dienen. Eine zu geringe Dosis ändert nichts an der Schmerzintensität, kann aber Übelkeit auslösen. Oder Parasympatholytika beim Asthmaanfall: Ist die Dosis zu gering, kann sogar ein Bronchospasmus ausgelöst werden, weil Muskarinrezeptoren in der falschen Relation angesprochen werden. „Es gibt klare Belege dafür, dass Reduktionen von Standarddosis oder Dosis-Intensität krankheitsfreies – und Gesamtüberleben bei kurativen Therapien gefährden können“, so das Gremium der Gesellschaft. Die signifikant höhere Krebssterblichkeit lässt sich zum Teil durch unnötige Dosisreduktionen erklären.

Nicht alle Zytostatika untersucht
Das multiprofessionelle Expertengremium hat Studien von 1966 bis 2010 gesichtet und analysiert. Die meisten Fundstellen betrafen Karzinome der Brust, Ovarien, Darm und Lunge. Aus der Studie ausgeschlossen wurden Patienten mit Leukämie. Auch Therapien mit Tyrokinase-Inhibitoren, Immuntherapeutika wie Interleukine und Interferone sowie mit monoklonalen Antikörpern. Für diese Substanzen war die Studienlage zu dürftig für eine Analyse. Die Untersuchungen waren meist retrospektiv oder Beobachtungsstudien. Folgende Empfehlungen werden in den Leitlinien ausgesprochen:
Das Gremium empfiehlt die Verwendung des wirklichen Gewichts bei Auswahl zytotoxischer Chemotherapie-Dosen. Es gibt keine Belege für erhöhte Kurz- oder Langzeittoxizität bei Adipösen bei entsprechenden Dosen. Die meisten Daten weisen auf gleiche oder weniger ausgeprägte Myelosuppression bei Adipösen hin.
Bei morbider Adipositas (BMI > 40 kg/m2 oder > 35 mit Komorbiditäten) wird volle Dosierung empfohlen, abhängig von angemessener Berücksichtigung von Komorbiditäten. Die Datenlage ist unbefriedigend. Derzeit erscheint es wahrscheinlich, dass hier die gleichen Dosierungsprinzipien gelten wie bei Adipositas.
Eine voll gewichtsbasierte Dosierung wird empfohlen, besonders beim Ziel der Heilung. Zwingende Daten gibt es zu Brustkrebs, begrenzte für andere Tumoren.
Nur bei ausgewählten Pharmaka sollte eine fixe Dosis erwogen werden, dies gilt für Carboplatin oder Bleomycin. Wegen seiner Neurotoxizität sollte Vincristin ggf. in seiner Dosis reduziert werden.
Verschiedene andere Wirkstoffe wurden in Studien mit Fixdosen eingesetzt. Es ist aber nicht klar, ob diese Dosierung für die Substanzen optimal ist. Der BSA kann mit jeder Standardformel berechnet werden, eine Überlegenheit einer bestimmten Formel ist nicht belegt.

Schwere Aufgabe: Dosisfindungsstudien
Sehr hilfreich wäre natürlich eine Tabelle, die unter Einbeziehung der kinetischen Eigenschaften des Arzneistoffes Therapieempfehlungen für die Initial- und Erhaltungsdosis und das Drugmonitoring ausspricht. Dazu nimmt das Gremium wie folgt Stellung: „Das Panel empfiehlt weitere Untersuchungen. Es besteht ein Mangel an Daten zum Einfluss von Adipositas auf die Pharmakokinetik, teilweise wegen primärer Ausschlusskriterien in klinischen Studien. Insgesamt gibt es nicht ausreichend pharmakokinetische Daten, um die Empfehlung einer voll gewichtsbasierten Dosierung von Chemotherapeutika bei Adipositas abzulehnen, unabhängig von Verabreichungsweg und /oder Infusionszeit.“ Ein Link auf ein Tabellenwerk „Dosierung aller Arzneistoffe bei adipösen Patienten” wäre sehr hilfreich. Doch so eine Tabelle existiert nicht.

Mittlerweile existiert Gendermedizin, die geschlechtsspezifische Unterschiede untersucht. Auch phänotypische Aspekte unterschiedlicher ethnischer Gruppen sind zunehmend besser untersucht und in den amerikanischen Fachinformationen teilweise etabliert. Für Kinder, Geriatriker, Niereninsuffiziente und Schwangere existieren ebenfalls ausführliche Tabellenwerke. In Anbetracht der Verbreitung adipöser Patienten sind hier dringend differenzierte Forschungen notwendig, damit die Therapie nicht „schwer“ gefährlich wird.